Seamus Heaney liebte die irische Westküste. Oft und gerne war er in der bizarren Karstlandschaft des Burren im County Clare in Ferien. Dort am Wild Atlantic Way ist dem großen irischen Dichter heute ein Aussichtspunkt gewidmet: „The Flaggy Shore“. Sie erscheint in seinem Gedicht „Postscript“, in einer Hommage an die großartige Küste der Galway Bay.
Am 30. August jährt sich der Todestag von Seamus Heaney. Die Iren verehren in ihm einen liebenswerten Menschenfreund, einen demokratisch und freiheitlich gesinnten Geist und einen genialen Sprachschöpfer. 20 Bände Lyrik und Literaturtheorie umfasst allein Heaneys publiziertes Werk. Denn er war Sprachkünstler und -pragmatiker in einem: Dichter und Übersetzer, Sprachphilosoph und Literaturwissenschaftler, Kreativer und Lehrer, zugleich Schriftsteller und Herausgeber. Seine Dichtung – inspiriert durch irische Sagen und Mythen – verarbeitet die Geschichte und Sprache seiner Heimat. Sie ist experimentell und innovativ zugleich, denn Heaney versuchte zeitlebens, verlorene Ausdrucksformen des Irischen – verschollen infolge der Unterdrückung durch die britische Kolonialherrschaft und verloren aufgrund des Schwindens der eigenen, der irischen Sprache – wiederzubeleben, paradoxerweise in der „Fremdsprache“ Englisch.
Sein dichterisches Werk und seine wissenschaftliche Arbeit dienen dem künstlerischen Anliegen, die originäre literarische Tradition des Irischen neu zu beleben, aus dem Bewusstsein, dass die eigene Kultur durch eine fremde Tradition überlagert ist. Daher entwarf er ein poetologisches Programm, das die Beseitigung von Überformung und Überfremdung zum Inhalt hat: eine ursprünglich irische Poesie. Zugleich war er ein hochsensibler Übersetzer, etwa des weltbekannten angelsächsischen Heldenepos Beowulf aus dem frühen Mittelalter ins Neuenglische – formal perfektioniert in Stabreimen.
Die Veröffentlichung seiner ersten Gedichtsammlungen „Death of a Naturalist“ 1966 begründete früh seinen internationalen Ruf. Erste Auszeichnungen brachten ihm internationale Bekanntheit, Dozenturen und Professuren an Universitäten in Irland, England und den USA. 1995 erhielt er für sein Werk den Nobelpreis in Literatur – als vierter Ire nach William Butler Yeats, George Bernard Shaw und Samuel Beckett. Heaney
überließ seinen literarischen Nachlass – Skizzen, Manuskripte, Aufzeichnungen – der irischen Nationalbibliothek.
ca. 2.350 Zeichen
Tipps zwischen Norden und Süden
Wer dem Dichter Seamus Heaney begegnen möchte, findet ihn museal und online im Seamus Heaney Home Place in Bellaghy zwischen Belfast und Derry~Londonderry gelegen. Auch im Writers Museum in Dublin wird sein Werk intensiv beleuchtet. Wer auf seinen Spuren wandeln möchte, findet aber auch langläufige Pfade – im Osten wie im Westen der Insel. Zum Beispiel im Skulpturenwald in „The Devil’s Glen“ nahe Ashford in County Wicklow oder eben zu Füßen des Burren im County Clare an „The flaggy Shore“.
400 Zeichen