Frankfurt am Main, 12. April 2022 – Man trifft James Joyce vielerorts in Dublin. Auf O‘Connells Street Ecke N Earl St, in St. Stephens Green Park und im Saint Patrick’s Park stehen Statuen und Büsten von ihm, aber auch in den Pubs in Temple Bar. Natürlich im Dublin Writers Museum, im Museum of Literature Ireland. Doch dieses Jahr – mit der ganzjährigen 100-Jahrfeier zum Jubiläum des Erscheinens seines Meisterwerks „Ulysses“ – werden wir dem Dichter und seinen Protagonisten Leopold und Molly Bloom nun wirklich überall in allen Ecken und Enden der Stadt begegnen können. Es gibt zahlreiche Gelegenheiten, Joyce zu entdecken, vor allem zu Fuß: in Zeit und Raum. Eine literarische Straßenkarte für Schnittpunkte von Fiktion und Wirklichkeit liefert anlassgemäß „Ulysses“. Hier sind die Koordinaten für eine selbst inszenierte Odyssee.
Das Museum of Literature Ireland ist veranstaltungstechnisch der Dreh- und Angelpunkt der Joyceschen Hundertjahrfeier. Zugleich ist es aber auch der ideale Startpunkt für Literaturfans, die Stadt auf den Spuren von James Joyce selbst zu erkunden und die Stätten der epischen Handlung aufzuspüren – ganz in der Tradition vieler Fans, die jeweils am 16. Juni, dem Bloomsday, an dem die Handlung des epochalen Werks spielt, die Stätten des Buchs nachgehen.
Joyce studierte am University College of Dublin. In dessen verborgenem Hinterhof ist heute noch die alte Esche zu sehen, unter der er mit Kommilitonen nach der Graduierung fotografiert wurde. Ein Muss ist die National Library und ihr Lesesaal, in dem Dedalus im „Ulysses“ über die Literatur diskutiert und wo Joyce selbst sich mit Freunden traf. Die Nationalbibliothek bewahrt viele Manuskripte von ihm und anderen irischen Schriftstellern, darunter Edna O'Brian, Seamus Heaney und W.B. Yeats. Sie können in digitalisierter Form eingesehen werden.
Nicht weit entfernt im Zentrum, umgeben von Geschäften und Pubs, kreuzen sich Molesworth- und Dawson-Street. Hier half der Romanheld Leopold Bloom einem Blinden über die Straße. Eine Plakette erinnert an diese Szene. Unweit liegt schon St Ann's Church (aus 1720), wo Joyces Dubliner Kollege Bram Stoker heiratete, dessen Werk Dracula in diesem Jahr auf immerhin 125 Jahre seit seiner Ersterscheinung zurückweist. Ihm gehört übrigens die zweite Hälfte des literarischen Jahres 2022.
Der Weg gabelt sich. Wer hungrig ist, mag sich im Herzen von Dublin stärken wollen: vorzugsweise in Davy Byrnes Pub nahe Bewley's Oriental Café. Hier probierte auch Leopold Bloom – bei einem Glas Burgunder – das berühmte Gorgonzola Sandwich. Es steht immer noch auf der Karte und ein Innenraum ist Molly Bloom gewidmet. Wer indes noch bummeln möchte, kann stattdessen Sweny's Pharmacy suchen. Zwar besteht die ehemalige Apotheke – wo Leopold für Molly Zitronenseife kauft – hier nicht mehr, doch die alten Regale und Flaschen sind immer noch erhalten, samt Erinnerungsstücken, die die Zeit im heutigen Literaturshop überdauerten. Der Laden selbst überlebt durch den Verkauf der ikonischen Seife, der Joyceschen Werkausgaben in allen Sprachen oder kleiner Notizbücher.
Trinity College darf nicht fehlen – der große Lesesaal und das Book of Kells sind touristisches Pflichtprogramm. Wobei Joyce selbst hier niemals studierte: Die Kirche gab ihm keine Empfehlung. Wer also dort – wie Leopold Bloom – nicht anstehen und bleiben möchte, wird vielleicht Berkeley Library – in Grafton St. am College Green – bevorzugen. Ihre Sammlung ist der Gegenwart verpflichtet und offen für „Normal People” unter den Literaturfans.
Doch so viele Orte in Dublin sind mit „Ulysses“ verwoben, viele mehr noch mit James Joyce: das National Museum, die National Art Gallery, die imposante Bank of Ireland und natürlich St. Stephens' Green, nur ein paar Schritte vom MoLI entfernt, wo sich unsere Runde schließt.
Von hier noch im James Joyce's Center einzukehren, wird einige Zeit beanspruchen – vor allem der schöne Fußweg von hier dorthin, birgt aber vielerlei Ablenkung: am River Liffey vorbei, über O'Connell's Bridge, in Richtung North Great George’s Street 35. Ein würdiger, ja unverzichtbarer Abschluss ist der Besuch allemal, aber vielleicht bleibt sogar ein eigener Tag dafür.
Das Centre ist in einem Georgianischen Stadthaus in der City untergebracht: No. 7 Eccles Street ist – nicht zufällig – Blooms Adresse aus dem „Ulysses“, der Ort, wo der Roman beginnt und wo er endet. Das originale Gebäude wurde leider in den 1960er-Jahren abgerissen.
Öffnungszeiten von 1. Oktober bis 31. März: Di.-Sa. von 10.00-17.00, montags geschlossen. Vom 1. April bis 30. September: Mo.-Sa. 10.00-17.00. Sonntags immer ab 12 Uhr.
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