Immer noch wenig ist außerhalb des angelsächsischen Sprachraums über Seamus Heaney, den großen Sohn einer nordirischen Bauernfamilie, bekannt. Er war ein zurückhaltender geistiger Mensch. Geboren und aufgewachsen in der kleinen Ortschaft Bellaghy nahe bei Magherafelt im County Londonderry war er stark von der Naturerfahrung in seiner Kindheit geprägt. Auch wenn er sich in seinen Werken vielfach mit dem Nordirlandkonflikt beschäftigte, kann man ihn nicht als einen politischen Dichter in engerem Sinne bezeichnen. Sein wortgewaltiges Werk verband sich immer auch mit der Natur Irlands, die Heaney als poetische Metapher für das menschliche Sein auslegte.
Als vierter irischer Schriftsteller nach W. B. Yeats, George Bernard Shaw und Samuel Beckett erhielt er 1995 den Nobelpreis für Literatur. Da sich Seamus Heaney jedoch den Nordirlandkonflikten entzog und die meiste Zeit seines Lebens in der Republik Irland und als Hochschulprofessor in den USA aufhielt, ehrt man seinen Werknachlass nun fünf Jahre nach seinem Tod im Jahr 2013 in beiden Landesteilen. Seine literarischen Aufzeichnungen hatte er 2011 der Dubliner National Library gestiftet, damit sie ein dauerhaftes Zuhause in Irland finden und für jeden Literaturliebhaber zugänglich sind.
Das ist seit diesem Jahr mit einer unvergleichlich wertvollen Werkschau umgesetzt. Die Ausstellung der National Library ist in den Räumen des Bank of Ireland Cultural and Heritage Centre an der Westmoreland Street zu sehen und gibt einen tief emotionalen, intimen und zugleich inspirierenden Einblick in Heaneys Werke, Notizbücher und Manuskripte, so wie er es sich sprachlich gewünscht hätte: „Von der Erde in die Luft, vom Dunkel ins Licht, den Anfängen bis zur Vollendung und vom Alltag des Außerordentlichen.“