Frankfurt, November 2020 – Wasser wird seit Urzeiten als die Quelle des Lebens betrachtet, zumal es für die Menschen oft genug ein knappes Gut war, immer noch ist und zunehmend wird: ein Geschenk der Götter, oft begehrt und umkämpft. Die Kelten glaubten, dass Quellen und Brunnen heilige Orte seien. Aber auch Seen, Tümpel und Teiche waren für sie verbunden und im Austausch mit der Anderwelt. Irlands großer Literat William Butler Yeats hat ihre Mystik in seiner keltisch mythologisch inspirierten Dichtung eindrucksvoll wiedergegeben.
In den Vorstellungen der keltischen Naturreligion beherbergte das Wasser Gottheiten und Feen. Ihm wurde Weisheit spendende und heilende Kraft zugeschrieben und folglich fand es nicht nur zum profanen Trinken oder Baden höchste Wertschätzung. Gewässer waren zu allen Zeiten auch magische und meditative Orte: die spirituelle Welt der Wassergeister. Ihre Verehrung, sich ausbreitende Riten und persönliches Gebet nährten und festigten über Jahrhunderte leichthin die Idee der Wunschbrunnen. Sie hat sich bis in die Gegenwart gehalten, in volkstümlichem Aberglaube und – infolge der späteren Christianisierung – in naiver Frömmigkeit: nun überformt von Heiligenlegenden. Die Rituale der Pilger, die zu solchen Orten kamen und kommen, folgen oftmals noch sehr alten, tradierten Mustern.
Im vorchristlichen Irland wurden solch heilige Orte zu besonderen Zeiten im keltischen Kalender besucht: zu Imbolc etwa, heutzutage am 1. Februar, oder an Beltane am 1. Mai, dem Sommeranfang. Dies gilt besonders für den 1. November, für Samhain, den Winterboten, wenn die Grenze zwischen Lebenden und Toten am durchlässigsten ist und das kleine Volk an heiligen Stätten gesehen werden kann. Manchmal wurden solche Wasserstellen markiert: mit Statuen der assoziierten Gottheit.
Wir finden heilige Quellen, Wunschbrunnen und -bäume heute noch in Irland und in der keltischen Lebenswelt rings umhin: auffällig behangen mit Bildern und Fotografien, mit Rosenkränzen, Wunschzetteln und Preziosen. Unsichtbar verhangen mit unbekannten Schicksalen und menschlichen Tragödien. Unhörbar überladen mit flüsternden sehnsuchtsvollen Bitten der Leidtragenden – und dem Dank der Erhörten.
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