Von Heinz Bück
Frankfurt am Main, 17.08.2022 – Ein Feuerwerk aus traditioneller irischer Musik und Tanz empfängt uns im Siamsa Tire in Tralee, County Kerry an der Westküste Irlands. Getragen von der traditionellen lokalen Musik- und Tanzkultur ist das modern inszenierte Tanztheater in mehr als 50 Jahren zu einer kulturellen Institution geworden. Das National Folk Theatre von Irland bewahrt und pflegt – nach rudimentären frühen Anfängen in 1957 – das musikalische Erbe der ländlichen Gemeinden am Atlantik. Heutzutage glänzen das Ensemble und das engagierte Programm vom Wild Atlantic Way über Irland und Europa hinaus mit hochkarätigen Akteuren und erstklassigen Inszenierungen.
Verschiedene abendfüllende Arangements – oder sollte man sagen: Musicals – sind in den Jahren entstanden. Sie werden seitdem immer wieder neu inszeniert auf die Bühne gebracht. „Fadó Fadó“ etwa war 1968 die erste Eigenproduktion und sie ist immer noch eine der schönsten. Ohne ein gesprochenes Wort, nur mit Gesang und Tanz und mit turbulenter Instrumentalmusik, erzählt das burleske Bühnenstück vom einfachen Leben auf einer irischen Farm.
Die Choreografien und die Instrumentalität folgen den tradierten Vorlagen und arrangieren im szenischem Theater des Siamsa Tíre stets Geschichte und Geschichten aus einem versunkenen Kulturkreis, der nicht zuletzt die Erinnerung an ein hartes arbeitsreiches Leben an der herben Küste und auf den abgelegenen Inseln des Atlantiks wachhält: wie „Oiléan“, das in großartiger Weise den Great Blasket Islands, draußen vor der Dingle Halbinsel, ein musikalisch-episches Denkmal setzt. Ebenfalls eines der hochgelobten Stücke, würdigt „Oiléan“ das Leben der Menschen auf den Inseln, ihren entbehrungsreichen Kampf ums tägliche Dasein, die Ab- und Auswanderung ihrer jungen Generation und schließlich die Aufgabe der Inseln als eine untergehende Lebenswelt. Es ist eine Ehrerbietung an die Menschen jener Zeit, ihre Sitten und Gebräuche, ihren Gesang und ihre unverwechselbare irische Sprache, die das Musical als kulturelles Erbe bewahrt. Ohne Zweifel als allerbeste Unterhaltung!
Unter der künstlerischen Leitung großer Direktoren und Choreografinnen hat das Siamsa Tíre die eigenen Bühnenstücke perfektioniert. Sie finden und fanden seit Jahren landes-, ja weltweite Beachtung und Anerkennung: in Europa, den USA und Australien. Und so darf das Ensemble zurecht als irisches Tanztheater der besten Art gelten, das in seinen mitreißenden Aufführungen, mit seinem hohen Unterhaltungswert und in seiner künstlerischen Klasse vielleicht am treffendsten als der „Wild Atlantic Broadway“ bezeichnet werden mag. Die Farbenpracht der Kostüme, ein fantasievolles Bühnenbild und eine dramaturgisch souveräne Beleuchtungstechnik vollenden den sinnlich audiovisuellen Genuss der Darbietungen.
Neben den Eigenproduktionen gesellte sich im Laufe der Jahre ein Gastprogramm aus Kabarett, Pop und Unterhaltung dazu, das inzwischen ganzjährig das großzügig ausgelegte Auditorium in Tralee füllt – von Pandemien und dergleichen einmal abgesehen. Und so ist das Siamsa Tire im August 2022 nach zwei Jahren wieder zurück mit einem neuen Bühnenstück: „Tuars“, das die Virtuosität der einzelnen Instrumentalisten und Tänzer zur Anschauung bringt.
Doch was auch immer gerade auf dem Programm stehen mag, Besuchern von Kerry und der umliegenden Grafschaften ist nur zu empfehlen: schaut unbedingt auf das laufende Programm des National Folk Theatre of Ireland. Es ist immer einen Besuch wert.
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