Im Sommer 2022 hatte DFDS ihre Frachtlinie zwischen Dünkirchen und Rosslare für Privatreisende geöffnet. Touristen mit PKW und Camper können seitdem mit an Bord. Für 2023 steht der Fahrplan der Direktfähre nach Irland bereits. Pro Woche gibt es fünf Abfahrten. Die Überfahrt dauert 24 Stunden. Sie beginnt und endet gleich hinter der belgischen Grenze an der ostfranzösischen Kanalküste: nur 3 Autostunden vor der deutschen Grenze. Heinz Bück hat die Route für Tourism Ireland ausprobiert, weit bevor die Saison beginnt.
Von Heinz Bück
Rosslare Harbour, County Wicklow, 23.01.2023 – Ein Hafenarbeiter in leuchtend orangem Overall tauchte aus der Finsternis der Docks auf, schlurfte zum Tor, öffnete es und winkte. Ich war der einzige an diesem kalten Januarabend auf dem weithin leeren Hafengelände von Rosslare im County Wicklow in Irlands Südosten. Die Abendfähren nach Pembroke und Cherbourg hatten bereits abgelegt. Es war Viertel nach sieben geworden. Ich fuhr an, hielt am Tor und öffnete die Wagentür – ein wenig erleichtert, dass man mich offenbar doch nicht vergessen hatte. Er grinste, grüßte, wollte mein Ticket sehen und wies mit ausgestrecktem Arm um die Ecke des Zauns, wo die letzten Trucker schon seit etlicher Zeit unter den gleißenden Kegeln der grellen Laternen verschwunden waren.
Es mag attraktivere Saisonzeiten geben als Ende Januar, um zwischen Irland und Frankreich mit dem Wohnmobil zu reisen. Ich wäre gerne geblieben. Aber ich musste rüber und wieder zurück nach Deutschland. Die Sonne hatte schon am Nachmittag bei der Anfahrt über die N11 nach Rosslare Harbour tief gestanden. Sie war kurz vor sechs Uhr beim Check-in – zwei Stunden vor Abfahrt – untergegangen. Der gut gelaunte Mensch im einzig offenen Schalterhäuschen hatte mein Ticket ausgedruckt und mich freundlich auf „lane seven“ geschickt. Jetzt endlich ging es an Bord.
Hinter dem Tor, zwischen haushoch gestapelten Containern und Kränen deuteten abgefahrene Markierungen, Sperrflächen und Pinselstriche einen Fahrweg an: die Docks entlang zum hinteren Hafenbecken bis zur mächtigen Rampe, die in taghellem Scheinwerferlicht hinaufführte in das offene Maul der Fähre. Ein Bootsmann in gelbem Ölzeug stoppte mich dort erneut, prüfte die Bordkarte und raunzte in sein WalkiTalki: Go! Die steilere Rampe auf das obere Decke 5 war die meine. Das WoMo nahm tapfer die Steigung. Ich wurde durchgewunken in das halbleere Deck und hielt neben Trucks, Sattelzügen und Kühlcontainern.
Ursprünglich war dies eine reine Frachtroute. Sie verkehrt fünf mal die Woche, mit späten Abfahrten auf beiden Seiten. Doch seit neuestem nimmt DFDS auch Privatreisende mit auf die grüne Insel: direkt von Dünkirchen aus, gleich hinter der französisch/belgischen Grenze. Das mindert die Fahrerei von und nach Deutschland erheblich.
Von Dünkirchen und Calais verkehren sonst die Kanalfähren hinüber nach Dover. Als Irlandfahrer muss man eh nicht dort hinüber. Eine Non-Stop-Verbindung ist für mich immer die bessere Wahl. Denn um die außereuropäische englische Landbrücke abzufahren, muss man am Ende eine zweite Fähre irgendwo über die Irische See nehmen und extra bezahlen. Da sind die französischen Direktrouten wirklich preiswerter und sinnvoller. Und diese nun bringt einen sogar – samt Camper oder PKW – binnen 24 Stunden von Ostfrankreich ins südirische Rosslare und ebenso zurück. Das ist aus Sicht mitteleuropäischer Touristen fast vor die Haustür. Zugegeben: fast. Doch 300 km von der französischen Grenzstadt Dunkerque nach Aachen – als dem westlichen Eingangstor in die BRD – machen schon einen deutlichen Unterschied gegenüber jenen 750 km von Cherbourg aus. Von Rotterdam sind es ebenfalls kaum 300 Kilometer zum niederländischen Nachbarhafen.
Wie gesagt, 24 Stunden dauert die Passage gegenüber 18 Stunden der Fähren von Cherbourg nach Rosslare oder Dublin. Das ist eine kleine Kreuzfahrt durch die Keltische See und durch den Kanal: von Südirland durch das „Celtic Deep“ mit striktem Südkurs auf Cape Cornwall. Am Bishops Rock an den Isles of Scilly vorbei und scharf um die Ecke in den Ärmelkanal. Nun mit Kurs Ost und der Atlantikwelle im Rücken unterhalb der englischen Südküste entlang: nördlich an den Kanalinseln vorbei, oberhalb der Normandie bleibend, dann in die Enge von Dover und – gut 30 Minuten Autofahrt von Calais entfernt – eine Tag später Anlanden in Dunkirk | Duinkerk | Dunkerque.
Komfortable Tageskabinen bis zu 4 Betten mit Dusche und WC machen diese Fahrt sehr angenehm. Vier Mahlzeiten sind übrigens inbegriffen. Als ich an jenem Abend vom Car Deck 5 hinaufkam zur Rezeption auf Deck 7, war das Restaurant noch offen und wartete mit dem Dinner auf die letzten Ankömmlinge. Es standen Huhn, wahlweise Schwein, wahlweise Rind zur Auswahl mit reichlich Gemüse sowie ein rein vegetarisches Menü. Das Irische Frühstück morgens war üppig: mit Porridge, Müsli und Säften, Kaffee oder Tee, Eiern und Speck. Zum Lunch gab es gebackenen Fisch, Rind oder wahlweise Huhn. Erneutes abendliches Dinner vor Ankunft: mit Steak oder Lasagne oder oder oder…
Ach ja, und immer Suppe vorneweg und Salat hintendrein. Und alles in Porzellan und mit einem freundlich umsichtigen Service... Und ich vergaß: den Cheese Cake zum Nachtisch!
Die Ankunft war pünktlich um 21.00 Uhr. Dicke drei Stunden dauerte für mich noch die nächtliche Heimfahrt von Dünkirchen nach Aachen mit Eintreffen weit nach Mitternacht. Doch noch nie war ich so relaxt angekommen. Und ich kenn sie fast alle, die Wege auf die grüne Insel und zurück.
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